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Polynome und andere Merkwürdigkeiten


Vorwort

In der folgenden kleinen Geschichte haben wir unsere Erlebnisse und Eindrücke verarbeitet, die wir während der Vorbereitung auf unsere Theorie-Prüfung gesammelt haben. Mit der Geschichte soll nichts weiter bezweckt werden als ein wenig Unterhaltung. Es ist nicht unsere Absicht, damit irgendjemanden oder irgendetwas zu bewerten oder zu diffamieren.

Die Geschichte


Nach neueren Erkenntnissen der String-Theorie existieren nicht nur die uns bekannten drei räumlichen Dimensionen, sondern mindestens zehn. Was spielt sich in den anderen Dimensionen ab? Hier ein mögliches Szenario: Der Leser möge sich entführen lassen in die Welt der Polynome, die nicht nur phantastisch, sondern sogar diophantisch ist.

In den Dimensionen vier bis zehn wohnen die kleinen Polynome versteckt in großen und undurchdringlichen Wäldern. Polynome sind wirklich sehr klein, sogar noch kleiner als Pimpfe, welche ja Wichte schon als Riesen bezeichnen. Um die dadurch entstehenden Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren, haben die Polynome eine komplexe und sehr komplizierte Zivilisation herausgebildet, welche sich wie die meisten anderen Zivilisationen vor allem durch die Produktion unnützer Dinge auszeichnet. Zwei sehr alte Errungenschaften dieser Zivilisation sind die Polynarchie und die Polynom-Division. Die Polynarchie ist die Herrschaftsform bei den Polynomen. Sie ist der uns bekannten Monarchie sehr ähnlich, nur mit den Unterschied, daß es nicht nur einen Herrscher gibt, sondern mehrere. Aufgrund akuter Knappheit an Baumblättern (das bevorzugte Zahlungsmittel der Polynome) wurden Einsparungen am Herrschaftssystem vorgenommen. Dazu wurde die Anzahl der Herrscher auf eins reduziert. Damit trotzdem die prinzipiellen Eigenschaften der Polynarchie erhalten bleiben, muß der jeweilige Herrscher ganz besonderen Anforderungen genügen. Da die Polynarchie in ihrer ursprünglichen Form sich durch ständiges Zanken der Herrscher und damit einhergehendem Aufschieben von Entscheidungen auszeichnete, muß der Herrscher in der reduzierten Polynarchie Entscheidungsprobleme haben. Alle wichtigen Probleme sollten für ihn unentscheidbar sein. Ein in dieser Hinsicht wirklich hervorragender Herrscher ist der zur Zeit amtierende König: Hilbert, der 10. Die Polynom-Division ist eng mit dem Herrscher verbunden. Es ist die Spezialeinheit des Militärs, deren Aufgabe der Schutz des Königs ist.

Da es wegen der Entscheidungsprobleme des Königs keinen Fortschritt im Reich der Polynome gibt, beschäftigen sich die Polynome mit dem Ziehen von Quadratwurzeln, wenn sie nicht gerade auf der Jagd sind. Die Jagd nimmt einen hohen Stellenwert in der Kultur der Polynome ein. Sie beschert den Jägern Abwechslung und den Familien der Jäger drei warme Mahlzeiten am Tag. Als besondere Delikatesse gelten Studenten aus den Dimensionen 1 bis 3, welche mit speziellen Petri-Netzen gefangen werden. Es ist ein schwieriges Unterfangen, diese Studenten zu fangen. Schließlich setzen sich die Jäger beim Dimensionswechsel stets der Gefahr aus, selbst von Professoren entdeckt und in wissenschaftlichen Arbeiten eingeschlossen zu werden.

Nach der Jagd treffen sich die Jäger traditionell in Orakel-Turings Hütte und multiplizieren sich mit transponierten Matrixen. Dies wird natürlich von den weiblichen Polynomen gar nicht gerne gesehen und so kann es passieren, daß der eine oder andere ruhmreiche Jäger abends vor verschlossener Tür steht und die Nacht im Freien verbringen muß. Glücklicherweise gibt es im Land der Polynome keine Jahreszeiten, so daß ein Tod durch Erfrieren keine ernsthafte Gefahr für die Verstoßenen darstellt. Unglücklicherweise streifen jedoch des nachts reflektierte Polynome durch die Wälder auf der Suche nach Opfern.

Noch vor der Einführung der Polynarchie wurde daher beschlossen, die Sicherheit in den Wäldern zu erhöhen. So werden die Wälder regelmäßig von Einheiten der Polynom-Division nach reflektierten Polynomen durchsucht. Auch wenn auf diesem Wege längst nicht alle reflektierten Polynome vereinfacht werden können, so führte diese Maßnahme doch zu einer erheblichen Reduzierung der Steigerung der durch reflektierte Polynome begangenen Straftaten. Damit diese Maßmahmen bezahlt werden können, werden Steuern erhoben, die aus politischen Gründen ,,Geschenke an den König`` heißen. Sie sind auf jeden erlegten Studenten zu zahlen. Wer versucht, die ,,Geschenke an den König`` zu hinterziehen, wird mit Generating-Functions nicht unter 5 Jahren bestraft.

Aber nicht nur die Bedrohung von innen macht den Polynomen zu schaffen. Während die meisten ihrer Nachbarvölker große Stücke auf die Polynome halten, weil sie berechenbar sind, stehen die primitiv Rekursiven den Polynomen feindseelig gegenüber. Der Grund dafür mag in gewissen Kommunikationsschwierigkeiten begründet liegen, da die primitiv Rekursiven nur rekursiv schreiben, während die Polynome nicht mal lesen können. Da die ewigen Streitereien mit den primitiv Rekursiven zu einem merklichen Bevölkerungsschwund auf beiden Seiten führte, beschlossen beide Seiten schließlich, einmal im Jahr ein Duell ihrer besten Vertreter durchzuführen, um den Gewinner des jeweiligen Krieges zu bestimmen. Bei diesen Duellen sind immer jede Menge schaulustige Polynome und primitiv Rekursive anwesend, ebenso wie die allgegenwärtigen Formel-Im-Brötchen-Verkäufer. Die Situation nähert sich schließlich dem Höhepunkt, wenn die Duellisten mit ihren Koeffizienten gegeneinander antreten und mit Problemen auf sich schießen. Schon seit geraumer Zeit gewinnen die Polynome regelmäßig die Duelle, da sie ein spezielles sehr tödliches Problem als Munition verwenden: P=NP? Bis zum heutigen Tage haben die pimitiv Rekursiven dem nichts entgegenzusetzen. Allerdings wird in den Forschungslabors der primitiv Rekursiven an einer Erweiterung ihrer Fähigkeiten gearbeitet. Dabei soll ein sogenannter Minimalisator zum Einsatz kommen, der mit einem Schlag die Welt der Polynome auf das SAT-Problem reduzieren kann. Dies könnte fatale Folgen für das kleine putzige Polynom-Volk haben, da dann die primitiv Rekursiven die Möglichkeit hätten, das Volk der Polynome einfach mit einer Turingmaschine aufzulösen. Hoffen wir, daß diese Situation nicht so schnell eintritt und wir uns noch lange an den putzigen kleinen Polynomen und primitiv Rekursiven erfreuen können.


Stefan Roock, Henning Wolf



bits-Redaktion
1998-12-14