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Logical Dilemmas -
The Life and Work of Kurt Gödel

In den dreißiger Jahren wurden verschiedene bahnbrechende Entdeckungen gemacht: die Relativitätstheorie stellte die Begriffe ``Raum'' und ``Zeit'' in Frage, die Unschärfe das Prinzip der Kausalität und der Unvollständigkeitssatz die universelle Kraft der Logik. Dennoch ist Kurt Gödel (1906-1978) nicht annähernd so bekannt wie Heisenberg und Einstein (oder auch Escher und Bach); ohne D. R. Hofstädter würde ihn heute niemand kennen. John W. Dawson (Gödels Nachlaßverwalter und der Herausgeber seiner gesammelten Werke) zeigt mit diesem Buch, warum.

Der Autor gibt Gödels Lebenslauf getreulich wieder (er erklärt z.B. seinen amerikanischen Lesern, wie das deutsche Bildungssystem funktioniert und was ein Sudetendeutscher ist). Da er sich ausschließlich auf Schriftdokumente stützen muß und Gödel selbst nur in Privatbriefen zu Wort kommt, vermittelt das Buch streckenweise den Eindruck, vom vorigen Jahrhundert zu handeln. Das aber liegt in der Natur der Sache: persönliche Bekannte Gödels sind heute deshalb so schwer zu finden, weil er sein Leben lang zurückgezogen und verschlossen war. Er traf zum Beispiel niemals mit David Hilbert oder Alan Turing zusammen, obwohl seine Ergebnisse den größten Einfluß auf deren Arbeit hatten, und seiner ersten Universität (Wien) gelang es erst posthum, ihm einen Ehrendoktor zu verleihen.

Hätte Gödel nicht perfektionistisch alle Dokumente seines Lebens aufgehoben, so wüßten wir von vielen seiner Lebensjahre fast nichts. Dawson ist also oft zur Spekulation gezwungen; aber gerade die Widersprüche in Gödels Leben machen die Darstellung interessant. Er arbeitete gleichzeitig an Theoremen der Mengenlehre und an Modellen relativistischer Universen; er wies nach, daß jedes hinreichend mächtige korrekte formale System unvollständig ist und glaubte doch, daß der menschliche Geist prinzipiell alles verstehen kann (``Die Welt ist vernünftig''); er war ein Genie ersten Ranges, ein zerstreuter Professor, den man an kein Lenkrad lassen durfte, ein Freund Einsteins und Okkultist und ein Hypochonder und Paranoiker, der sich aus Angst vor Vergiftung zu Tode hungerte.

Dawson stellt die allgemeine Entwicklung der Logik in eigenen Abschnitten anschaulich dar, erläutert aber Gödels Ergebnisse nicht näher, sondern verweist auf die Fachliteratur in der guten Bibliographie; nur zu den Unvollständigkeitssätzen erklärt er das Beweisprinzip.

Verschiedene Aspekte des Buches sind aus der Sicht der Informatik interessant. Es macht deutlich, wie wenig man selbst in Logik und Mathematik die Wissenschaft von der Philosophie trennen kann: Gödels frühe Sätze galten und gelten als geniale Erfindungen, weil allgemein akzeptierte Axiome benutzen; seine späten Ergebnisse (über Zeitreisen und Existenz Gottes) beruhten auf Annahmen, denen seine Kollegen nicht folgen mochten. Gödels Unvollständigkeitssatz (der noch in seinem Nachruf ganz falsch interpretiert wurde) dient einer Denkschule als Beweis für die Unmöglichkeit von künstlicher Intelligenz, anderen als deren Rechtfertigung. Und schließlich folgen aus Gödels Arbeiten oft Probleme, die in der modernen Informatik sehr wichtig wurden (z.B. Speedup-Theorem, tex2html_wrap_inline349 und der Beweis, daß kein Virenscanner sowohl perfekt als auch sicher sein kann).
Kilian A. Foth

JOHN W. DAWSON
Logical Dilemmas - The Life and Work of Kurt Gödel
346 Seiten, DM 88.- (AK Peters)
ISBN 1-56881-025-3


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Arne Witte
Tue May 13 19:14:13 MET DST 1997