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Marco's Kulturecke

Rainer Maria Rilke hat bis heute die moderne deutsche Dichtkunst beeinflußt und geprägt. Er wurde am 4.Dez 1875 in Prag geboren und lebte hauptsächlich in der Schweiz, wo er am 29. Dez 1926 verstarb.

Rilke beschäftigte sich vor allem mit der Realität wie er sie empfand und er versuchte stets, diese innere Welt nach außen zu projezieren. Ich habe ein Gedicht aus der Sammlung ''Das Buch der Bilder'' ausgewählt, da es sich insbesondere mit einem Aspekt der Realität beschäftigt, welcher heute fast schon als virtuell bezeichnet wird.

Wer an mehr Informationen und Gedichten von Rainer Maria Rilke interessiert ist, sollte sich mal die recht schöne (aber englische) WWW-Seite http://www.cris.com/~Huntress/rilke.html oder (wer die weite Reise scheut) http://www.informatik.uni-hamburg.de/gutenb/rilke/gedichte/gedichte.htm anschauen.

Für Anregungen und Kritik bin ich natürlich wie immer dankbar.
Marco Joneleit
(mailto:5jonelei)


Von den Fontänen

Auf einmal weiß ich viel von den Fontänen,
den unbegreiflichen Bäumen aus Glas.
Ich könnte reden wie von eignen Tränen,
die ich, ergriffen von sehr großen Träumen,
einmal vergeudete und dann vergaß.

Vergaß ich denn, daß Himmel Hände reichen
zu vielen Dingen und in das Gedränge?
Sah ich nicht immer Großheit ohnegleichen
im Aufstieg alter Parke, vor den weichen
erwartungsvollen Abenden, - in bleichen
aus fremden Mädchen steigenden Gesängen,
die überfließen aus der Melodie
und wirklich werden und als müßten sie
sich spiegeln in den aufgetanen Teichen?

Ich muß mich nur erinnern an das Alles,
was an Fontänen an mir geschah, -
dann fühl ich auch die Last des Niederfalles,
in welcher ich die Wasser wiedersah:
Und weiß von Zweigen, die sich abwärts wandten,
von Stimmen, die mit kleiner Flamme brannten,
von Teichen, welche nur die Uferkanten
schwachsinnig und verschoben wiederholten,
von Abendhimmeln, welche von verkohlten
westlichen Wäldern ganz entfremdet traten
sich anders wölbten, dunkelten und taten
als wär das nicht die Welt, die sie gemeint...

Vergaß ich denn, daß Stern bei Stern versteinert
und sich verschließt gegen die Nachbargloben?
Daß sich die Welten nur noch wie verweint
im Raum erkennen? - Vielleicht sind wir oben,
in Himmel andrer Wesen eingewoben,
die zu uns aufschaun abends. Vielleicht loben
uns ihre Dichter. Vielleicht beten viele
zu uns empor. Vielleicht sind wir die Ziele
von fremden Flüchen, die uns nie erreichen,
Nachbarn eines Gottes, den sie meinen
in unsrer Höhe, wenn sie einsam weinen,
an den sie glauben und den sie verlieren,
und dessen Bildnis, wie ein Schein aus ihren
suchenden Lampen, flüchtig und verweht,
über unsere zerstreuten Gesichter geht....

Rainer Maria Rilke


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Arne Witte
Thu Nov 21 15:58:52 MET 1996